Der Badische Riesenregenwurm
Zunächst möchten wir den Platz des Badischen Riesenregenwurms in der biologischen Ordnung klären:
- Er gehört dem Stamm der Ringelwürmer (Annelida) an
- und darin zur Klasse der Gürtelwürmer (Clitellata).
- Innerhalb dieser Klasse gibt es die Ordnung der Wenigborster (Oligochaeta),
- die die Familie der Regenwürmer (Lumbricidae) hervorgebracht hat.
- Unter ihnen gibt es die Gattung "Lumbricus"
- mit vielen Arten, darunter auch den Badischen Riesenregenwurm (Lumbricus badensis).
Er ist ein sogenannter "Endemit", der nur in den Fichtenwäldern im Umfeld des fast 1.500 Meter hohen Feldberges, der höchsten Erhebung des Schwarzwaldes, vorkommt.
Verbreitung
Diese Art wurde erstmals 1906 wissenschaftlich beschrieben. In der Tat kommt sie ausschließlich in einem kleinen Gebiet im südlichen Schwarzwald vor, und zwar in Höhen zwischen 300 und 1.400 Meter. Hier herrschen eher saure Böden vor, die von Fichten bevorzugt werden. Es ist kein gutes Milieu für den Gemeinen Regenwurm (Lumbricus terrestris) und seine enger verwandten Arten, Grund genug für den Badischen Regenwurm, die "biologische Lücke" zu schließen.
Seine besonderen Merkmale
Im Ruhezustand erreicht der Badische Riesenregenwurm eine Länge von bis 34 Zentimetern, wird er geradlinig ausgestreckt, können das sogar 60 Zentimeter sein. Damit gehört er zu den längsten Regenwürmern die in Deutschland leben. Sein Durchmesser kann maximal 16 Millimeter erreichen, woraus sich ein maximales Gewicht in Ausnahmefällen von bis zu 40 Gramm ergibt. Der ausgewachsene Wurm weist in etwa 200 Körpersegmente auf.
Die für alle Lumbrici typische Kopfform wird als "tanylob" bezeichnet. Dahinter verbirgt sich lediglich die Tatsache, dass der sogenannte Kopflappen das erste Rückensegment teilt. Das sattelförmige Clitellum reicht von den Segmenten 31 bis maximal 40. Das vordere Drittel des Wurms ist von dunkelvioletter bis dunkelrotbrauner Farbe, weiter hinten erscheint er eher hellgrau bis bleigrau.

von Naturschutzzentrum Südschwarzwald [CC BY-SA 3.0 de], via Wikimedia Commons
Die Lebensweise
Die Lebensweise und Lebensdauer des badischen Riesenregenwurms, unterscheidet sich im Detail von der Lebensweise anderer Regenwürmer. Dieser Wurm kann immerhin bis zu 20 Jahre alt werden, wobei er (nach Möglichkeit) sein ganzes Leben lang seine Wohnröhre, die bis zu 2,5 Meter tief liegen kann, beibehält. Darin legt er für seine Brutfürsorge spezielle Erdkammern an. Da die Jahrestemperaturwelle kaum einen Meter in den Boden vordringt, ist der Badische Riesenregenwurm in seiner deutlich tiefer liegenden Wohnröhre auch vor strengem Frost vollständig geschützt. Hinzu kommt, dass der Wurm humose Exkremente produziert, die die Wohnröhre recht gut thermisch isolieren. Da die Ringelwürmer im Verein mit Mikroorganismen die am Boden liegenden Fichtennadeln zersetzen, leisten sie für den Streu-Abbau eine wertvolle Mitarbeit.
Zur Evolution des Riesenregenwurms
Gemäß aktueller biogeografischer Studien hat der letzte gemeinsame Vorfahr des kleineren Lumbricus friendi und des Badischen Riesenregenwurms vor knapp 10.000 Jahren gegen Ende der letzten Eiszeit gelebt. Durch mehrere Verlaufswechsel des Rheins kam es zu einer geografischen Isolation einiger Bereiche des Südschwarzwaldes. Vermutet wird auch ein umfängliches Verdriften von Erd-Wurzel-Ballen, die zur Entstehung von Lumbricus-Gründerpopulationen in den vornehmlich sauren Böden beigetragen haben. Auf diese Weise konnten innerhalb von nur wenigen Tausend Jahren die reproduktiv und geografisch isolierten Spezies "Lumbricus friendi" und "Lumbricus badensis" aus ihrer gemeinsamen Vorläuferart "archaischer Lumbricus friendi" im Zuge einer allopatrischen Artenbildung entstehen.
Wie der Badische Riesenregenwurm in so kurzer Zeit evolvieren konnte, ist aber noch nicht wirklich geklärt. Möglicherweise musste sich diese Art im Zuge der oberirdischen Nahrungsbeschaffung um einen weiteren Aktionsradius bemühen und auch größere Reisigstücke und Blätter beschaffen. Auch das Vordringen in so tiefe Wohnhöhlen, was eine Notwendigkeit am Ende der letzten Eiszeit war, erfordert mehr Kraft und größere Körperlängen.