Die Regeneration des Regenwurms nach einer Verstümmelung
Der Regenwurm (Lumbricidae) gilt für uns traditionell als magisches Wunder, denn er soll sich nach einer gewaltsamen Teilung von außen angeblich in zwei lebendige, eigenständige Wesen verwandeln können. Doch kann das wirklich den Tatsachen entsprechen? Wieso das nicht stimmen kann, was es wirklich mit der Regeneration auf sich hat und wie es vermutlich zu diesem Irrtum kam, soll dieser Text erklären.
Nach einer gewaltsamen Teilung entstehen keine zwei Lebewesen!
Obgleich diese Würmer Zwitter sind, vollziehen sie eine Paarung, bei der sie sich gegenseitig befruchten. Dann legen beide Lebewesen eiförmige Kokons ab, die ihre Zeit zur Reifung brauchen, bevor aus den Regenwurmkokons ein neuer Regenwurm entsteht. Wäre der Regenwurm wie eine Bakterie oder eine Staude durch Teilung zu vermehren, hätten Gärtner keinen Mangel an diesen kleinen bodenbelüftenden Nützlingen. Kein Angler müsste jemals einen Wurm als Köder kaufen.
Es mag richtig sein, dass ein bodenbearbeitender Mensch einmal sah, wie ein versehentlich geteilter Regenwurm mit beiden Enden noch wilde Bewegungen vollzog. Doch dadurch auf Leben zu schließen, ist ein trügerischer Kurzschluss. Gereizte Nerven sind für solche Zuckungen verantwortlich. Dieses Phänomen ist todesnah bei so ziemlich allen Lebewesen zu beobachten. Zwei lebensfähige Regenwürmer sind aus einer solchen Teilung aber noch nie entstanden.
Das Regenerationsvermögen des Regenwurms
Ein Regenwurm hat, wie wir auch, seine Verdauungsorgane an einem bestimmten Platz im Körper. Nur der Teil, der zur Nahrungsaufnahme und zur Verdauung, also zu einem Stoffwechsel fähig ist, ist zwingend zum Überleben des Wurms notwendig. Wird der Darm zerteilt oder vom Kopfende getrennt, sind beide Teile nicht mehr lebensfähig.
Am wahrscheinlichsten ist eine vollständige Regeneration des Regenwurms, wenn von seinem Hinterende ein Teil abgetrennt wird. Je weiter die Teilung in Richtung der Körpermitte auftritt, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit einer Regeneration. Das Kopfende kann also nur noch überleben, wenn die Trennung hinter dem 40. Segment stattfindet. Das hängt mit dem Körperbau des Regenwurms zusammen, denn vor dem 40. Segment befinden sich nämlich die überlebenswichtigen Organe wie das Ober- und Unterschlundganglion, der Darm oder die Lateralherzen. Auf diese kann der Regenwurm auf keinen Fall verzichten.
Dem Regenwurm ist es jedoch möglich, ein etwa von einem Fressfeind gegriffenes Ende "ziehen zu lassen" – dazu schnürt er an einer für ihn günstigen Stelle einfach eine Reihe von Segmenten ab, um dieses anschließend wieder zu ersetzen. Am Kopfende sind dies die ersten vier Segmente, das Hinterteil ist bis zum Darmende verschmerzbar.
Heilstarre macht angreifbar
von MOs810 (Eigenes Werk) [CC BY-SA 4.0], via Wikimedia Commons
Ein verletzter Regenwurm braucht sehr viel Energie für die Heilung. Deswegen verfällt er in eine Art Heilstarre, in der sich der Wurm nicht bewegen kann und welche ihn angreifbar macht. Jede Bewegung wäre in diesem Fall reine Energieverschwendung. Der Maulwurf kennt diesen Umstand und verletzt den Wurm, um ihn anschließend in seine Vorratskammer zu verschleppen.