Die Bedeutung der Regenwürmer
Viele Menschen kennen den Regenwurm nur vom Angelhaken oder als Nahrungsquelle heimischer Singvögel. Bei den meisten löst er Unbehagen und Abscheu aus. Dabei gehört der Regenwurm zu den bedeutsamsten Lebewesen des Erdreichs. Mit seinen vielfältigen Eigenschaften und Verhaltensweisen stellt er für uns eine große Bereicherung dar, die sich oft nur auf den zweiten Blick erkennen lässt.
Der Regenwurm in der Geschichte
In den frühen Epochen unserer Geschichte glaubte man, dass der Regenwurm über besondere Heilkräfte verfüge. Im Schamanismus galt er als Krafttier, das für Erneuerung und Heilung stand. Er diente als Orakel und beliebte Zutat für Zaubereien und Rituale. Im alten Ägypten wurde der Regenwurm sogar heiliggesprochen und stand unter dem Schutz von Königin Cleopatra.
Sehr lange Zeit hatten Regenwürmer immer wieder mit Falschverurteilungen zu kämpfen. Man hielt ihn zeitweilig für einen Parasiten, der den Pflanzen mehr Schaden als Nutzen bereite. Doch auch die Vermutung seines positiven Einflusses auf die Bodenqualität lässt sich in historischen Aufzeichnungen zurückverfolgen. Schon im alten Griechenland stellte man fest, dass der Regenwurm maßgeblich zur Bodenfruchtbarkeit beitrug. Eine Erkenntnis, die sich durch sämtliche Epochen zog und besonders in der Landwirtschaft von großer Bedeutung war. Es existieren einige wenige Schriften, in denen diese Geltung festgehalten wurde.
Die ersten richtigen Befunde über die Bedeutsamkeit der Regenwürmer hinsichtlich der Bodenbeschaffenheit gehen aber erst auf das 18. Jahrhundert zurück. In den Werken des Schriftstellers und Naturforschers Gilbert White lässt sich nachlesen, dass der Regenwurm einen großen Einfluss auf die Lockerung des Bodens und somit die Entwicklung der Pflanzen habe.
Trotz der positiven Feststellungen gingen viele Menschen davon aus, dass der Regenwurm ein Schädling sei, der sich an den Pflanzenwurzeln zu schaffen mache.
Diese Vermutung konnte erst ein Jahrhundert später mithilfe von naturwissenschaftlichen Befunden entkräftet werden. Diese waren vor allem dem deutschen Physiologen Victor Hensen und dem bedeutenden Naturwissenschaftler Charles Darwin zu verdanken, die das Verhalten des Regenwurms ausgiebig studierten. In Form von Vorträgen und Schriften machten sie nachweislich auf den Zusammenhang von Regenwürmern und der Bodenqualität aufmerksam, sodass auch die letzte Skepsis ausgeräumt werden konnte.
Der Regenwurm und der Mensch
Dem Menschen kommt der Regenwurm vor allem in der Landwirtschaft durch seine entscheidende Verbesserung des Bodenmilieus zugute. Durch ihre Bewegung im Erdboden sorgen die Regenwürmer dafür, dass dieser belüftet wird und damit den Wurzeln eine bessere Möglichkeit zur Entfaltung gibt. Durch das Ausscheiden organischer Stoffe wird außerdem die Bodenfruchtbarkeit erhöht. Der Regenwurm hat mit seinem Beitrag zur Ernte und deren Ergiebigkeit also einen indirekten Einfluss auf die menschliche Ernährung.

Im heimischen Gartenkompost hilfen z.B. die Tauwürmer zudem dabei, Abfälle in nährstoffreiche Erde umzuwandeln, die sehr viel fruchtbarer ist als gewöhnliche Erde. Als Angelköder ist der Regenwurm besonders beliebt, da er kostenlos und einfach zu beschaffen ist.
Überdies stellen Regenwürmer auch in der größeren Fischerei eine äußerst eiweißhaltige Ködermöglichkeit dar. In der Fischzucht werden sie gerne als energiereiches Futtermittel verwendet. Auch in der Geflügelwirtschaft wird der Wurm in Pulverform als Eiweißlieferant verabreicht, wodurch das Wachstum der Tiere und somit die Fleischqualität verbessert wird.
Der Regenwurm als Heilmittel
In früheren Zeiten wurden Regenwürmer als Heilmittel für sämtliche Erkrankungen aller Art eingesetzt. Sie waren ein beliebtes Schmerzmittel und galten außerdem als fiebersenkend und entzündungshemmend. Die Verabreichung erfolgte meist oral. Die Würmer wurden sowohl lebendig als auch tot und weiterverarbeitet eingenommen. Man stellte Heilpulver und Tränke aus ihnen her. Aber auch eine äußere Behandlung war möglich. Hierbei wurde der Wurm entweder aufgelegt oder zu einer Salbe verarbeitet.
Ebenso glaubte man, dass der Regenwurm, ähnlich wie beim Erdboden, die Fruchtbarkeit eines Menschen unterstützen könne. Bei Männern hoffte man auf eine Stärkung der Potenz und bei Frauen sollte die Empfängnis begünstigt werden. Gleichzeitig wurde ihm aber auch eine abtreibende Wirkung zugesprochen.
In der Geburtsheilkunde setzte man auf die vermutete schmerzsenkende und wehenfördernde Wirkung der Würmer. Nach der Geburt wurde der Wurm manchmal verabreicht, um die Produktion der Muttermilch zu fördern.
In den 50er Jahren belegte der deutsche Wissenschaftler Dr. G. Hasebein in einem Experiment, dass mithilfe von Regenwürmern Auskunft über eine Schwangerschaft gegeben werden kann. Die Trefferquote lag bei etwa 90 Prozent, jedoch wurden die Erkenntnisse nicht weiter aufgegriffen oder ausgebaut.Der Regenwurm und die Bodenqualität
Die wohl bedeutendste Eigenschaft des Regenwurms ist sein erheblicher Einfluss auf die Bodenqualität. Der Erdboden wird dank der Aktivität des Wurmes strukturiert, vermischt, gelockert und perforiert.
Durch sein ständiges Graben und das Bilden von Erdkanälen entsteht eine hohe Anzahl von Poren im Grund, wodurch nicht nur die Erdmasse belüftet und aufgelockert, sondern auch die Wasserversorgung optimal geregelt wird. Durch die Kanäle kann das Wasser sich gleichmäßig und tiefgreifend ausbreiten, ohne dabei die Grundsubstanz des Erdbodens zu zerstören. Außerdem ist die Erde dank der feinen Gänge zu einer besseren Wasserspeicherung in der Lage. Die Kanäle helfen überdies den Pflanzenwurzeln dabei, sich in tiefliegenden Ebenen zu entfalten und dort noch mehr Nährstoffe aufzunehmen.
Eine besondere Bereicherung stellt der Kot des Regenwurms dar. Der organische Reichtum der Ausscheidungen und die damit einhergehende Fruchtbarkeit des Bodens wird durch die Ernährung des Wurms beeinflusst. Dieser ernährt sich nämlich von verrotteten Pflanzenresten, tierischen Fäkalien, aber auch Verwesungsrückständen, die bereits von Mikroben verdaut wurden. Dadurch wird der Boden von Unrat befreit und gleichzeitig kompostiert, denn die abgestorbenen Elemente sind reich an Nährstoffen und organischen Proteinen. Gemeinsam mit dem mineralstoffreichen Mutterboden bildet sich so eine Masse, die als Pflanzendünger fungiert.
Optisch ist der Regenwurmkot der Erde sehr ähnlich, jedoch ist er wesentlich nährstoffreicher und wasserhaltiger. Außerdem hat er einen höheren pH-Wert, wodurch er den Bedürfnissen der meisten Pflanzen entgegen kommt. Der Regenwurmkot bietet mit seinem Nährstoffreichtum einen idealen Energielieferanten für die Pflanzen und unterstützt sie somit beim Wachstum. Hinzu kommt, dass der Kot und der darin enthaltene Schleim eine Nahrungsquelle für andere Mikroorganismen sind.
Mit ihrem Stoffwechsel und ihrer regen Erdaktivität vermischen die Regenwürmer die einzelnen Erdschichten und sorgen so dafür, dass nährstoffreicher Obergrund auch in die tiefliegenden Erdgründe gelangt. Dadurch kommt es zu einem Mineralstoffaustausch, der für alle Bodenschichten zum Vorteil ist. Die Kotbestandteile dienen als idealer Nährstoffspeicher und sorgen zudem für ein lockeres Erdmilieu.
Durch all diese Eigenschaften eignet sich der Regenwurm auch hervorragend als Unterstützer bei der Kompostierung. Er beschleunigt den Prozess und liefert zudem weitere Nährstoffe für die Kompostmasse. Somit ist der Regenwurm ein natürlicher Helfer bei der Abfallbeseitigung.Der Regenwurm als Nahrungsmittel
Seit Anbeginn unserer Geschichte wurde der Regenwurm in vielen Ländern als Nahrungsmittel verwendet, da er über einen sehr hohen Proteingehalt verfügt.
Bei diversen Urvölkern ist er noch heute ein Bestandteil der täglichen Ernährung. Je nach Region wird er roh verspeist oder zubereitet. In manchen Gebieten Japans ist er eine beliebte Zutat für Pasteten und Suppen.
In der westlichen Welt und vielen anderen Regionen ist der Regenwurm als Nahrungsquelle jedoch verpönt. Dabei könnte er maßgeblich dazu beitragen, den häufig verbeiteten Eiweißmangel oder gar den Welthunger einzudämmen. Mit seinem hohen Gehalt an Nährstoffen, stellt er eine potenzielle Eiweißquelle dar, die obendrein sehr kostengünstig und problemlos realisierbar ist. Bis heute versucht man immer wieder, den Wurm durch spezielle Zubereitung und Weiterverarbeitung für den Konsumenten ansprechender in Szene zu setzen.